„Keinen Bock auf Arbeit morgen?“

„Keinen Bock auf Arbeit morgen?“

Die Landesregierung in Baden-Württemberg will mit einer Kampagne mehr Lehrkräfte für Schulen gewinnen. Doch die großflächigen Plakate sorgen für Empörung. Lehrerverbände sprechen von „Niveaulosigkeit“. Die Kreativität einer Werbeagentur in Stuttgart scheint über´s Ziel hinausgeschossen zu sein.

Die baden-württembergische Landesregierung will mit einer Kampagne neue Lehrkräfte für die Schule gewinnen – laut Kultusministerium vor allem Quereinsteiger. Dafür hat sie am Stuttgarter Flughafen zwei Plakate aufgehängt. Diese Plakate sorgen nun für mächtig Ärger.

Unter dem Slogan „HURRAAA!“ heißt es bei der Werbekampagne eigentlich: „Lust auf Veränderung? Dann werde Lehrer*in“. Auf dem Großplakat stehen aber nun weitere Slogans. Und die haben den Ärger ausgelöst. Denn neben dem auffälligen „HURRAAA!“ findet sich folgende Aussage: „Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in.“ Auf dem Plakat stehen auch der Verweis für Internetseite zum Bewerben, sowie die Logos des Kultusministeriums und der allgemeinen „THE LÄND“-Kampagne.

Realschullehrerverband spricht von Skandal

Mehrere Lehrerverbände im Land kritisieren die aktuelle Kampagne des Kultusministeriums für mehr Lehrkräfte. Die Vorsitzende des Realschullehrerverbands Karin Broszat spricht von einem Skandal. „Man wusste vor dieser Kampagne nicht, wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt.“ Deutlicher und niveauloser könne man die Geringschätzung für den Lehrerberuf in Baden-Württemberg nicht ausdrücken, so die Verbandsvorsitzende.

Mit dem Plakat werde suggeriert, dass es Lehrkräften nur um die Ferien gehe. Diese Unterstellung rücke den Berufsstand in ein unglaubliches Licht. Die Verantwortlichen sollten sich in Grund und Boden schämen, so Broszat.

Bildungsverband: „Plakat ist Schlag ins Gesicht für alle Lehrkräfte“

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Baden-Württemberg spart nicht mit Kritik am Kultusministerium. Der Landesvorsitzende Gerhard Brand erklärte dem SWR: „Dieses Plakat ist eine Beleidigung für alle Lehrerinnen und Lehrer im Land.“ Brand spricht von einem Schlag ins für alle Lehrkräfte, die in drei Jahren Corona-Pandemie bis zur Erschöpfung gearbeitet hätten und sich nun mit großem Aufwand um die Beschulung der Tausenden von Flüchtlingskindern aus der Ukraine, Syrien und anderen Ländern kümmerten.

Der VBE unterstützt nach eigenen Angaben den Versuch der Landesregierung, den Lehrerberuf in einer großen Kampagne zu bewerben. Diese Kampagne würde allerdings auf einem unsäglichem Niveau geführt. „Dies ist eine Unverfrorenheit, die uns schlicht sprachlos macht“, so Brand.

Opposition im Landtag fordert Entschuldigung bei Lehrkräften

Auch die FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag warf dem Kultusministerium eine mangelnde Wertschätzung für den Lehrerberuf vor. Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Timm Kern, forderte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) auf, sich bei den Lehrkräften im Land dafür zu entschuldigen.

Die AfD sprach von fehlendem Respekt für den Lehrerberuf und bildungspolitischer Unfähigkeit. Der Einsatz vieler Tausend Lehrkräfte im Land werde durch solche Sprüche entwertet, so der wissenschaftspolitische Sprecher der Partei in BW, Alfred Bamberger. Er forderte, die Kampagne umgehend zu beenden.

Kultusministerium verteidigt Slogans auf dem Plakat

Das Kultusministerium spricht dagegen von einer bewussten Auswahl des Slogans. Ein Sprecher des Kultusministeriums erklärte auf Nachfrage dem SWR, dass man damit Aufmerksamkeit erregen möchte. Die Zahl der Rückmeldungen auf die Plakate seien überdurchschnittlich. Eine Woche nach Start der Werbekampagne in den sozialen Netzwerken am 17. Juli hat das Ministerium nach eigenen Angaben schon 8.000 Weiterleitungen über die Kampagnenseite zur Lehrkräfteeinstellung verzeichnet. „Die Kampagne spricht also an und man redet über sie. Das ist wichtig, weil wir Aufmerksamkeit benötigen, damit sich mehr Leute für den Lehrerberuf interessieren“, teilte der Sprecher mit.

Kritik, die Kampagne suggeriere, dass Lehrkräfte faul seien, wies der Ministeriumssprecher zurück. „Wir wissen um die Leistungen unserer Lehrkräfte.“ Man wollen mehr Personen für diesen Beruf gewinnen und diese Kampagne sei ein Mittel dafür.

Landesschülerbeirat: „Gemeinsam nach Lösungen suchen“

Unterstützung erhält das Ministerium hingegen von den Schülerinnen und Schülern im Land. Der Vorsitzende des Landesschülerbeirats Berat Gürbüz gibt zwar zu, dass der Spruch auf dem Plakat leicht falsch verstanden werden könne. Dennoch unterstützt er die Kampagne. „Bei genauerem Hinsehen wird der wahre Zweck der Kampagne erkennbar: Lehrkräfte sollen keinesfalls lächerlich gemacht werden, sondern vielmehr sollen andere dazu motiviert werden, sich für den Lehrberuf zu interessieren“, so Gürbüz. Der Schülerbeirat sehe keine Grundlage, die gesamte Kampagne als Skandal zu deklarieren. Das sei nicht fair. Alle Beteiligten sollten lieber gemeinsam nach Lösungen suchen, um den Lehrkräftebedarf langfristig und zielgerichtet zu decken.