Aus Gebrauchtem neuen Umsatz machen – eigentlich der Traum jedes Händlers und Anbieters. Gebrauchte Gegenstände oder Produkte, die zurückgegeben werden (Retouren), werden nicht entsorgt, sondern wiederaufbereitet und weiterverkauft. Ein Trend, der in unsere Zeit passt: Secondhand boomt, der Bereich Re-Commerce verzeichnet enormes Wachstum. Laut Cross-Border Commerce Europe soll das Marktvolumen bis 2025 auf über 120 Milliarden Euro ansteigen. Besonders bemerkenswert ist der Anstieg des Anteils von Re-Commerce am gesamten E-Commerce von derzeit 12 Prozent auf voraussichtlich 14 Prozent. Ein lukratives Geschäftsfeld.
So treten neben privaten Auktionsplattformen (Ebay, Vinted, Kleinanzeigen) inzwischen nicht nur kommerzielle, auf Re-Commerce-spezialisierte Plattformen wie Rebuy oder Momox an. Auch für klassische Online-Händler kann der Handel mit gebrauchten Artikeln oder Retouren Sinn ergeben. Sie erschließen neue Zielgruppen, schaffen zusätzliche Umsatzquellen, stärken das Image und die Kundenbindung – nicht zuletzt, weil sie die Ökobilanz verbessern. „Die Zukunft des Handels ist zirkulär“, sagt Heiner Kroke, CEO von Momox. „Online-Händler, die diese Chance jetzt nutzen, sichern sich einen Wettbewerbsvorteil, erschließen neue Zielgruppen und leisten einen entscheidenden Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.“ Allerdings ist dabei ein Punkt besonders wichtig: Wer in den Re-Commerce einsteigen will, muss sich Gedanken über seine Reverse-Logistik-Strategie machen.
Reverse Logistik oder Rückwärtslogistik bezeichnet im Vergleich zur normalen Logistik die Bewegung von Produkten in die umgekehrte Richtung. Sie beginnt also beim Kunden und endet bei einem Anbieter: Entweder als Retoure bei dem Online-Shop, der das Produkt verkauft hat, oder als Second-Hand-Produkt bei einer Plattform oder einem Anbieter, der auch das Recycling und den Wiederverkauf von gebrauchten Waren anbietet.
Das Management dieser umgekehrten Lieferkette – Reverse Supply Chain Management – umfasst allerdings noch wesentlich mehr Aktionen als nur die Lieferung von Waren vom Kunden zum Unternehmen: Sie umfasst auch die Begutachtung, das Recycling oder die Reparatur gebrauchter Produkte, den Wiederverkauf sowie die Wiederverwendung. Die passende Reverse-Logistik-Strategie ist erfolgsentscheidend, weil Schritte wie Begutachtung, Reparatur, Lagerung und Wiederverkauf hohe Kosten nach sich ziehen können.
Retouren stehen im E-Commerce auf der Tagesordnung. Laut gesetzlichen Regelungen hat die Online-Kundschaft 14 Tage Zeit, einen Artikel umzutauschen oder zurückzugeben. Davon machen viele Käufer:innen Gebrauch: Die Farbe passt nicht? Die Hose ist zu eng? Die Schuhe zu groß? Oder stimmt die Qualität nicht? Schnell sind die Waren verpackt und wieder zurückgeschickt. Im Schnitt schicken die deutschen Online-Shopper 11 Prozent ihrer Online-Käufe zurück, wie eine Studie des Bitkom e. V. vom April 2024 zeigt.
Und Online-Shops machen es ihrer Kundschaft leicht, indem Retouren in der Regel kostenlos sind und die passenden Rücksendungs-Labels oft schon der Ware beigelegt werden. „Dabei sollten Online-Shops das Retouren-Label auf mehrere Arten bereitstellen: digital über einen QR-Code, als PDF per E-Mail oder mittels dem Paket beigelegtem Label. Auch die Kanäle, auf denen die Kund:innen die Retouren an den Logistikdienstleister übergeben können, sollten möglichst vielfältig und einfach zu nutzen sein. Ein dichtes Netz an Abgabestellen, die lange Öffnungszeiten haben oder sogar rund um die Uhr erreichbar sind, ist hierbei der Erfolgsschlüssel“, sagt Michael Wenzelburger, Leiter Produktmanagement bei DHL Paket. Dasselbe gilt auch für den Versand gebrauchter Produkte an die Unternehmen.
Und Online-Händler können diesen Trend nutzen, um neuen Mehrwert zu generieren. Immer noch werden viele Retouren vernichtet. Warum solche Produkte nicht wiederverkaufen? Selbst für individualisierte Waren gibt es noch einen Markt. Abseits von Retouren können Online-Shops ihrer Kundschaft auch anbieten, passende gebrauchte Produkte einzusenden, etwa gegen einen Rabatt. Auch diese Produkte lassen sich recyceln und weiterverkaufen.
Wer Retouren wieder in den Verkaufsprozess gibt, spart zudem Kosten für die Lagerung. Wer gebrauchte Produkte nach Qualitätscheck und – gegebenenfalls – Reparatur zum Kauf anbietet, erschließt neuen Umsatz. Und nicht zuletzt: Die sogenannten „5 R der Reverse Logistik“ (returns, reselling, repairs, replacements and recycling – Rücksendungen, Wiederverkauf, Reparaturen, Ersatz und Recycling) erzeugen Sympathiepunkte bei den Nutzer:innen und zahlen so auf das Image eines Anbieters ein. „Die Rückwärtslogistik hilft Unternehmen auch, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Durch die Rückführung der Produkte zur Reparatur, Aufarbeitung oder dem Recycling bleiben sie im Kreislauf und müssen nicht entsorgt werden. Der Nachhaltigkeitseffekt wird noch unterstützt, wenn die Kunden CO2-reduzierte Versandoptionen nutzen“, sagt Michael Wenzelburger.
Doch natürlich haben Re-Commerce und Reverse Logistik auch ihre Tücken. Ein Nachteil besteht in den Kosten: Retouren oder gebrauchte Produkte müssen empfangen, geprüft, aufgearbeitet und repariert, neu verpackt sowie gelagert werden. Hier entstehen Kosten. Auch der Vertrieb und Versand der Produkte kostet Geld – und meist ist die Marge bei gebrauchten Produkten deutlich niedriger, weil der Preis niedriger ist. Der Aufbau und Betrieb eines eigenen Re-Commerce-Angebots erfordert also Investitionen in Infrastruktur, Logistik und Kundenservice – und erzeugt laufende Kosten.
Um hier im wirtschaftlichen Bereich zu bleiben, sollten Anbieter den Prozess so effizient wie möglich halten und vor allem den Fokus auf hohe Qualität im Retouren- und Waren-Einsendungs-Management legen. Dabei sollten Anbieter folgende Punkte im Blick haben:
1. Daten: Informationen zu eingesandten Waren zu erfassen und zu analysieren.
2. Automatisierung: Je nach Absatzmenge und Größe des Lagers lassen sich viele Schritte im Bereich Sortierung, Lagerung und Auslieferung automatisieren.
3. Prozesse: Mitarbeiter schulen und Arbeitsabläufe verbessern.
4. Verpackung: Um Retouren zu vermeiden, sollten Versender auch auf eine qualitativ hochwertige und angemessene Verpackung achten. Wird diese während der Zustellung beschädigt, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Rücksendung.
5. Kundenkommunikation: Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Service und die Kommunikation mit der Kundschaft. Wichtig sind etwa klare Rückgabe-Richtlinien: Immerhin 67 Prozent der Verbraucher:innen überprüfen diese, bevor sie eine Bestellung aufgeben.
Bei der Optimierung spielt auch der Logistik-Partner eine entscheidende Rolle, der Sendung und Rücksendung abwickelt. Können Retouren oder Warensendungen einfach dem Zusteller oder der Zustellerin mitgegeben werden? Wo finden Kund:innen Servicepunkte, an denen sie Warensendungen aufgeben können? Inwieweit lässt sich der Vorgang online steuern und nachverfolgen?
Die reibungslose Abwicklung mit hoher Qualität trägt auch entscheidend zum Kundenerlebnis – und damit zur Kundenzufriedenheit – bei. Darum ist im Re-Commerce und für die Reverse-Logistik-Strategie die Wahl des Logistik-Partners erfolgsentscheidend.