Haltung ist aktuell eines der großen Buzzwords im Marketing.
Angesichts der aktuellen Demonstrationen für Toleranz und gegen Rechtsextremismus beziehen auch immer mehr Unternehmen Stellung und positionieren sich für eine gerechtere, tolerantere und umweltsensiblere Welt. Doch ist das wirklich ihre Aufgabe?
Was ist die Aufgabe eines Unternehmens? Vor ein paar Jahren wäre die Antwort simpel gewesen… Aber heute stellt sich die Frage viel komplexer und vielschichtiger als in der damaligen Welt. Warum ist das so ? Die einfachste und beste Antwort ist: Weil die Menschen verunsichert sind. Natürlich durch multiple Krisen, die in den letzten Jahren in den Fokus gerückt sind. Und was wollen Menschen in Zeiten der Unruhe und Unsicherheit und Angst ? Richtig: Sie wollen Ruhe, eine klare Positionierung ihrer Lieblingsmarke und sich sicher sein, dass das von ihnen präferierte Unternehmen nachhaltig und verantwortungsbewusst handelt. Deswegen stellen sich für alle Marketing Verantwortlichen ganz andere Fragen als noch vor ein paar Jahren. Wir kann ich als Marke den Konsumenten ehrlich begegnen, wie kann ich mich als Marke klar positionieren ? Wei erschaffe ich einen neuen Purpose ? Wie trage ich dazu bei, dass die Welt ein bisschen besser wird ?
Warum Haltung im Marketing an Bedeutung gewinnt: Marken mit Haltung sind starke Marken
Haltung boomt!
Viele Unternehmen setzen sich vermehrt mit dem Thema Haltung auseinander. Haltung zeigen, Farbe bekennen ist „in“. Die Medien sind voll von Beiträgen zur Haltung. Gerade im Marketing werden „Haltungskampagnen“ gefordert. Out ist, wer keine hat. Resultat sind Kampagnen, wo Unternehmen zeigen, wie sie sich sozial engagieren, ökologisch engagieren, für oder gegen etwas sind. Diese Unternehmen werden von der Community gefeiert wie Helden. #Stop Hate for Profit ist eine dieser typischen Aktionen, wo Unternehmen ihre Haltung offenbaren, um zumindest kurzfristig Facebook zu boykottieren, um dann in Scharen wieder zurückzukehren und mehr zu buchen. Mehr dazu in meinem Beitrag auf LinkedIn.
Teilweise wird auch sehr viel in einen Topf geworfen: Dann sind Purpose und Haltung eins, CSR und Haltung werden untrennbar miteinander verknüpft, die anderen Unternehmen haben dann also keine „Haltung“.
Irgendwie mutet das komisch an. Haltung scheint heute für alles herzuhalten und ist dann nichts richtig.
Was ist Haltung wirklich
Haltung ist die innere (Grund-)Einstellung, die das Denken und Handeln eines Menschen prägt. Ich verstehe entsprechend unter Haltung die innere Grundeinstellung eines Unternehmens, die das Denken und Handeln im Unternehmen prägt. Konstituierend für diese Haltung sind für mich der Purpose des Unternehmens, also die idealistische Motivation, warum es das Unternehmen gibt, und die Unternehmensgrundsätze, die verdeutlichen, wofür das Unternehmen einsteht. Der Purpose ist der Existenzgrund des Unternehmens. Er ist somit der richtungweisende Stern am Horizont, an dem sich Manager und Mitarbeiter in ihrem Handeln orientieren sollen. Dies alleine reicht allerdings als Klebstoff des Unternehmens und den Zusammenhalt von Managern und Mitarbeitern nicht aus.
Stellen Sie sich vor, Ihr Unternehmen wäre ein Segelschiff, mit dem Sie und Ihre Crew auf den Meeren der Welt unterwegs sind. In diesem Falle würde der Polarstern Ihnen und der Crew zur Orientierung dienen, auch bei rauer See und schlechtem Wetter. Diese Funktion erfüllt der Purpose. Allerdings würden dadurch noch nicht die Kommunikation und die soziale Interaktion geregelt.
Dabei geht es um die Art und Weise, wie die Crewmitglieder auf dem Schiff miteinander umgehen. Es sind somit erwünschte Verhaltensweisen und Aspekte, die für alle Crewmitglieder wichtig sind. So wie auf dem Schiff die alleinige Orientierung am Polarstern nicht ausreicht, so reicht auch der Purpose im Unternehmen nicht aus, um erwünschtes Verhalten untereinander und mit anderen zu regeln. Dazu bedarf es spezifischer Unternehmensgrundsätze und -werte sowie eines verbindlichen Wertekanons, der für alle Mitarbeiter im Unternehmen Gültigkeit hat.
Jeder Purpose bedingt andere Verhaltensweisen im Unternehmen. Somit beeinflusst der Unternehmenszweck auch den Wertekanon, der notwendig ist, um den Purpose zum Leben zu erwecken.
3M als Vorbild
Ein Beispiel dazu: Der ursprüngliche Purpose von 3M lautete »To solve unsolved problems innovatively«. Innovation prägt somit die Kultur von 3M. Entsprechend sollte die Kultur dazu anregen, anders zu denken und folglich auch anders zu handeln, um voran zu kommen. Zwar wurden inzwischen Mission und Werte bei 3M weiterentwickelt, sie ranken aber immer noch um die ursprünglichen Aussagen.
Bemerkenswert ist dabei, dass die sogenannten McKnight-Prinzipien auch heute noch hochgehalten werden. William McKnight wurde 1929 Präsident und 1949 Vorstandsvorsitzender der 3M Company. Seine Leitsätze prägen nach wie vor die Werte und die Kultur von 3M. Dazu gehören auch seine Prinzipien zu Eigeninitiative und Eigenständigkeit, die er 1948 in folgende Worte fasste: „Mit wachsendem Umsatz wird es immer wichtiger, Verantwortung zu delegieren und Mitarbeiter zu Eigeninitiative zu ermutigen. Natürlich passieren dabei auch Fehler. Aber wenn eine Person im Kern Recht hat, werden diese langfristig weniger einschneidend sein als Fehler, die einem Management unterlaufen, wenn es mit strengen Vorschriften führt und alles bis ins Detail reglementiert.“
Haltung bedingt, dass ein Unternehmen Werte, also Unternehmensgrundsätze, hat: 3 – 5, knackig formuliert, einfach auf den Punkt. Dann entsteht beim Leben der Werte und konsequenter Orientierung am Purpose Haltung. Und die sollte man spüren: überall, wo man mit dem Unternehmen in Kontakt tritt. Dann bräuchte es vielleicht auch keine künstlich geschaffenen Haltungskampagnen.